In Bremen gibt es zahlreiche Hochbunker. Ihrem Zweck entsprechend, der Bevölkerung bei Luftangriffen Schutz zu bieten, stehen sie mitten in Wohnquartieren. In begehrten Wohnlagen kann einem Architekten schon mal der Gedanke kommen: Wie ließe sich ein solches Bauwerk für Wohnzwecke umnutzen?
_Solche Überlegungen beschäftigten den Schöpfer dieses Hauses schon seit Mitte der neunziger Jahren. Als er für den Bunker „F 38“ in bester Schwachhauser Wohnlage den konkreten Vorschlag eines Wohnungsneubaus auf dem Dach entwickelte, stand ihm erst einmal ein mehrere Jahre dauernder Papierkrieg mit verschiedenen Behörden bevor.
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Um das Haus auf dem Dach zu erschließen, entstand außen ein Treppenhaus. Der Architekt hat darauf verzichtet, die Oberfläche des Bunkers neu zu gestalten. Er setzt bewusst auf einen Kontrast zwischen alt und neu. Dem grauen, bemoosten „Sockel“ antwortet er mit den hellgelben Putzflächen des Treppenhauses und den popbunten gekurvten Trapezblechen des eingeschossigen Aufbaus, die auf der Straßenseite Dach und Wand fließend ineinander übergehen lassen. Mit diesem im Industriebau bewährten Material lassen sich große Räume stützenfrei überspannen.
_Große Räume ergeben sich für den Zwei-Personen-Haushalt durch die Grundfläche von 22 x 9 Metern fast zwangsläufig. Das Treppenhaus erschließt die Wohnung von der Mitte der Längsseite aus. Über einen offenen Quergang gelangt man rechts und links in die beiden Wohnräume. Das Esszimmer und die Küche bilden eine räumliche Einheit mit vorgelegter Terrasse zur Hofseite.Das Schlafzimmer und das Gästezimmer befinden sich an den beiden Stirnseiten. Auch in den Innenräumen überwiegen mit maisgelb und blau kräftige Farben.
_Mittlerweile ist auch der graue Betonkoloss selbst in Teilen bewohnbar gemacht worden.
„Der Bunker mit der Typenbezeichnung F38 stammt aus dem Jahr 1943. Die Aufstockung entstand 55 Jahre später. Beide Objekte dienen dem Aufenthalt von Menschen. Sie sollen, entsprechend der ursprünglichen Aufgabe von Architektur, ihre Nutzer vor Umwelteinflüssen schützen.
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Wie sehr sich diese „Umwelteinflüsse“ geändert haben, drückt sich im unterschiedlichen Erscheinungsbild aus. Selbstverständlich sollte das Alte alt bleiben und das Neue als Neues dargestellt werden.
_Die wettergegerbte Außenhaut des Bunkers zeigt ihr Alter. Im Gegensatz zur sonstigen gebauten Umwelt ist sie nie renoviert oder modernisiert worden. Durch Ausblühungen des Materials, Wetter und Bewuchs (Flechten) entstand eine individuelle, kleinteilig differenzierte Oberfläche, wie sie künstlich nicht erschaffen werden kann.
_Im Gegensatz dazu die Aufstockung. Farbige, industriell vorgefertigte Bauteile aus Leichtmetall mit einem gleichmäßigen Erscheinungsbild bilden einen Gegenpunkt zum alten Sockel. Der vorgestellte Treppenhausturm steht als vertikales Element, durch die seitlichen Fensterbänder vom Bunker gelöst, vor dem Gebäude. Innen setzt sich die unbehandelte Bunkerwand fort.
_Die Wohnung hat zwei unterschiedlich gestaltete Seiten. Es gibt eine eher geschlossene Straßenseite und eine offene, großflächig verglaste Gartenseite. Es wurde Wert darauf gelegt die einzelnen Bereiche nicht streng voneinander zu trennen, sondern ineinander fließen zu lassen.
_Die einzelnen Nutzungen werden durch unterschiedliche Farbgebung unterstützt, der aktive Koch-Essbereich mit einem Maisgelb und der passive Wohnbereich mit einem ruhigen Blau. Die in allen Räumen gleiche Deckenstruktur- und Form dient dabei als verbindendes Element. Komplettiert wird die Wohnung durch die eingezogene Terrasse, die bei geöffneten Türen mit den angrenzenden Räumen einen neuen Raum bildet.
_Bei der Suche nach Nutzungsmöglichkeiten für die Bunkerräume war auch der Wunsch nach Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit wichtig. Weil die Räume zunächst aus Zivilschutzgründen baulich nicht verändert werden durften und an den Einbau von Fenstern nicht zu denken war, werden die Räume als Galerie und für verschiedene andere Veranstaltungen genutzt.
_ Nach Wegfall der Zivilschutzbindung wurde das oberste Bunkergeschoss ausgebaut. Es entstanden eine Wohnung (ca.100m²) und ein Appartement (ca.40m²), die Ausstellungsräume in den darunter liegenden Geschossen blieben erhalten.
Das gesamte Projekt steht als Beispiel für den schonenden Umgang mit städtischen Flächen.“
Rainer Mielke