Osterholz - Tenever Demonstrativbauvorhaben

Arbeitsgemeinschaft: Tenever

Martin Zill / Nina Kessler / Gehrhard G. Dittrich

| Stadtteil: Osterholz  | Baujahr: 1968-76  | Bauherr: Nordwestdeutsche Siedlungsgesellschaft, Neue Heimat  

Foto des ObjektesFoto des ObjektesFoto des ObjektesFoto des ObjektesFoto des ObjektesFoto des ObjektesFoto des Objektes
Zeichnung des ObjektesZeichnung des ObjektesAltenwohnungen, Erschließung auf der zweiten Ebene, Hochhaus, doppeltes Parkgeschoss unter Spielfläche
Zeichnung des Objektes

Grundriss 2. Geschoss, südlicher Teil vor der Sanierung

vorhandene Unterlagen

Literatur -> Nachbesserungskonzept für Osterholz Tenever | und weitere

Wie die Neue Vahr Ende der fünfziger Jahre war auch das Demonstrativbauvorhaben Tenever als beispielgebender Siedlungsbau konzipiert. Was beide teilen, ist der rasche Werteverfall der jeweils zugrunde liegenden Ideen: War das Leitbild der „gegliederten und aufgelockerten Stadt“ kurz nach der Fertigstellung der Neuen Vahr überholt, so ereilte ein ähnliches Schicksal Tenever schon während der Bauzeit. Da die Wohnungen der nach dem Leitbild „Urbanität durch Dichte“ geschaffenen Anlage nur schwer zu vermieten waren, wurden statt der ursprünglich geplanten 4.600 nur noch 2.600 Einheiten gebaut.
_Die propagierte Verdichtung, die sich als Resultat eines verwissenschaftlichten Städtebaus gab, basierte de facto auf dem schlichten ökonomischen Zwang, bei knapper und teurer werdenden Bauland zu optimalen Ausnutzungen zu kommen.
_Tenever ist der Endpunkt eines Siedlungsbandes, das sich von der Gartenstadt Vahr ca. acht Kilometer nach Osten erstreckt. Über 20.000 Wohnungen sind von den fünfziger bis in die siebziger Jahre entlang dieses Bandes geschaffen worden – das größte Stadterweiterungsgebiet Bremens.
_Im nördlichen Drittel des relativ schmalen, etwa einen Kilometer langen Baugebiets von Tenever an der A 27 entstanden ab 1968 erste Wohnhochhäuser. Als innovativster Bau galt hier der „Kessler-Block“. Seine 227 Wohnungen waren zu zwei Dritteln für Alleinstehende mit und ohne Kind bestimmt. Als „Servicehaus“ nahm er diverse Versorgungseinrichtungen (Läden, Praxen usw.) auf.
_Die Planung südlich der Otto-Brenner-Allee stammt von Professor Gerhard G. Dittrich vom Städtebauinstitut Nürnberg (SIN). Dittrich entwickelte eine Struktur Z-förmiger hofbildender Baukörper, die in der Mitte acht und an den Winkeln bis zu achtzehn Wohngeschosse enthalten. Die ganze Anlage ruht auf einem zweigeschossigen Garagenbau auf. Lediglich kurze Stichstraßen erschließen sie in den einzelnen Höfen auf Bodenniveau. Die so genannte Kommunikationsebene befindet sich im zweiten Obergeschoss.
_Die auf die Ansprüche des vollbeschäftigten und sozial integrierten Mittelstandes hin konzipierten Wohnungen sind geräumig und gut geschnitten. Politik und Wohnungswirtschaft rechneten mit einem erheblichen Bevölkerungszuwachs und mit Nachfragen aus den innerstädtischen Sanierungs- und Cityerweiterungsgebieten. Die Prognosen erwiesen sich als falsch. 1975 wurde das Projekt gestoppt.
_Imageprobleme, falsche Belegungspolitik und fehlende Infrastruktureinrichtungen machten aus dem Stadtteil schon bald ein soziales Problemgebiet. Seit 2004 wird ein erheblicher Rückbau durchgeführt. Erstes Objekt eines Totalabrisses war der Kessler-Block.
Der Leerstand von Wohnungen führte bis 2007 zum Abbruch weiterer Hochhäuser im nördlichen Teil und zum Abbruch von Gebäudeteilen der z-förmigen Bauformen im südlichen Teil. Dort wurde nach dem Entwurf von Hilmes - Lamprecht Architekten ein Sanierungskonzept realisiert. Die Häuser wurden sichtbar wieder auf den Boden gestellt. Die einzelnen Zugänge der Wohnblocks bekamen angemessene Vorbereiche und großzügige, helle Eingangshallen, teils mit Pförtnerlogen. Farb- und Lichtakzente unterstreichen das neue Gesicht des Quartiers. Osterholz Tenever war eines der Pilotprojekte des Förderprogramms "Stadtumbau West".

O-Ton:

„In Bremen wird jetzt nicht mehr auf der grünen Wiese gebaut, es ist Schluß mit den Großbauvorhaben“, versicherte Bausenator Hans Stefan Seifriz, als er gestern gemeinsam mit den Baugesellschaften das Veranstaltungsprogramm erläuterte. (...)
_Die Wohnungsbauunternehmen Neue Heimat Bremen und Nordwestdeutsche Siedlungsgesellschaft hoffen, dass voreilig „urteilende und verurteilende“ Kritiker sich dabei ein „echtes Bild“ verschaffen. _Dieses Vorhaben, das, so Seifriz, „wie kein anderes permanent öffentlich diskutiert wurde“, ist nach Meinung der Baubehörde ein Musterbeispiel öffentlicher Planung. Gänzlich neu sei die Anlage der verschiedensten Gemeinschaftseinrichtungen im sozialen Wohnungsbau, „denn bisher war das nur im Komfortwohnungsbau denkbar“. Seifriz lobte ferner „die Grünflächen in verschwenderischer Fülle“ sowie „ein Höchstmaß an persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten“. Alle früher üblichen städtebaulichen Vorteile seien hier mindestens im gleichen Maße eingeplant und vorhanden. Schließlich stellte sich Seifriz noch einmal grundsätzlich vor das gesamte Vorhaben („Ich habe keinen Anlaß, meine Meinung zu revidieren“), das jetzt „mit Anstand zu Ende geführt werden muß“.
(Weser-Kurier, 13. 6. 1975)